„Ich bin mit der Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit groß geworden – geboren und groß geworden unter Besatzung. Jetzt verbringe ich mein Erwachsenen-Dasein in der Diaspora, ohne das ich ohne weiteres in die Heimat zurückkehren kann“, sagt Dr. Hisham Hammad. „Das ist ein bitteres Gefühl. Ich möchte daher hier in der Auslandsgesellschaft NRW e.V. neue Freunde und Verbündete finden und Menschen, die meine Sehnsucht nach Palästina teilen. Ich habe 15 Jahre in Palästina aber über 35 Jahre in Deutschland gelebt. Mein Engagement hier ist mein Beitrag zur modernen Integration.“
„Ich bin in einem Flüchtlingslager geboren. Meine Eltern sind 1948 aus Haifa geflüchtet. Geboren sind sie bei Tulkarem“, berichtet Dr. Omar Al-Ghawi. Tulkarem ist eine Palästinenser-Stadt unweit von Dortmunds israelischer Partnerstadt Netanya. „Ich kannte das Leben nur als Flüchtlingskind. Aber meine Eltern waren darauf bedacht, dass aus uns was werden sollte.“ Alle Kinder haben Abitur gemacht. Als Student kam Al-Ghawi nach Dortmund und hat in Bochum studiert. Er ist geblieben. „Heimat und Gerechtigkeit für Palästina war immer das Hauptziel. Hat uns immer beschäftigt.“
Deshalb haben sie auch in Dortmund mit Anderen die palästinensische Gemeinde zu Dortmund gegründet. „Wir teilen die Träume und die Schicksale zusammen. Fast alle das gleiche Schicksal“, verdeutlicht Hammad. Die Gruppe pflegt eine Identität und Linderung durch geteiltes Leid. Durch den neuen Länderkreis in der Auslandsgesellschaft ändert sich die Arbeit: „Die Sprache, die Strategien und die Aktivitäten sind total anders, wenn du auch deutsches Publikum hast“, sagt Hammad. Unter ihnen sind Freunde und Mitstreiter, zu denen auch Barbara Heinz gehört.
„Als ich 16 Jahre alt war, habe ich im Zeichensaal der Oberschule den Film, Nacht und Nebel’ gesehen. Seit der Zeit habe ich mich mit der Geschichte der Juden und dem 3. Reich beschäftigt“, erklärt Heinz. Das war im Jahr 1956. „Da gab es noch keine Bücher und Materialien.“ 1997 organisierte sie ihre erste Veranstaltung zum Nahost-Konflikt in Brackel. Das Thema war „Um Israel Willen muss Palästina Recht geschehen“. Eine Leitlinie, die für sie heute noch immer gilt. Mehr denn je.
„Ich war zwei Mal mit Studienreisen in Israel, im Westjordanland und im Gaza-Streifen. Da habe ich den Unterschied der Lebensverhältnisse kennengelernt“, sagt Heinz. Der Siedlungsbau ist für sie ein Hauptkonfliktpunkt: Damit würde Israel auch Anspruch auf das Palästinenserland erheben. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass die israelische Politik darauf abzielt, dass die Palästinenser ihr Land verlassen, weil sie diesen täglichen Druck durch die Besatzung nicht mehr ertragen bzw. erleiden können.“ Deshalb engagiert sie sich: „Es ist sowas von erschreckend, dass Menschen, die unendliches Leid erfahren haben, anderen Menschen so viel Leid zufügen. Das darf nicht sein“, betont Barbara Heinz.
„Das erzeugt Wut und Verzweiflung und Irrationalität – die Spirale der Macht wächst dadurch“, betont Hammad. Gerechtigkeit gebe es immer weniger. „Bei vielen Jugendlichen ist das Maß voll.“ Mehr Ungerechtigkeit, mehr Entsiedlung, mehr Straßensperren, mehr Schikanen, mehr Armut und mehr Erniedrigung. „Irgendwann muss das explodieren. Es war nur eine Frage der Zeit. Wer das nicht sieht, lügt sich in die Tasche“, ist sich Hammad sicher. Deutschland und die EU seien längst gefordert, endlich etwas zu unternehmen.
Der Länderkreis kann vieles bewirken. Wichtig ist dabei die Öffentlichkeits- und Informationsarbeit. „Wir können sagen und zeigen, dass wir auch da sind“, betont Al-Ghawi. Hammad fühlt sich in Zeiten der vielfältigen Konflikte an Bundeskanzler Brandt erinnert. Doch statt „Mehr Demokratie wagen“ fordert er, als Deutsche mehr Kritik zu wagen. „Das darf ein Deutscher als Freund tun, ohne gleich als Antisemit verschrien zu werden. Die Besatzung zu beenden, bedeutet eine Befreiung für Palästinenser und Israelis. Von Gerechtigkeit und Frieden profitieren alle“, so Hammad. „Wir dürfen keine Angst vor Wahrheit haben - sie gehört zu Frieden und Gerechtigkeit dazu. Wir dürfen nicht nur höflich und verlogen sein.“
Denn Verlogenheit helfe den palästinensischen Jugendlichen nicht. Selbst Studierte stehen ohne Perspektive auf der Straße. „Die Mauer macht ihnen zu schaffen. Sie erstickt sie. Sie ist wie ein Würgegriff. Sie können nichts machen und nirgends hin“, verdeutlicht Al-Ghawi. „Ohne Besatzung gibt es keinen Grund für Anschläge. Die Besatzung ist Hauptursache für alle Probleme“, ergänzt Hammad. „Die Jugendlichen werden von beiden Seiten missbraucht. Verzweiflung und Wut macht verführbar und radikalisierbar“, sagt Al-Ghawi.
Der Länderkreis will einigen der Jugendlichen die Möglichkeit geben, eine andere Perspektive zu erleben. Sie wollen einen Jugendaustausch anbieten: „Damit die palästinensischen Jugendlichen endlich erfahren, dass die Welt anders aussehen kann als unter Besatzung und es andere Mittel als Gewalt und Unterdrückung gibt“, sagt Omar Al-Ghawi. „Auch die Deutschen sollten in die besetzten Gebiete reisen und es dort selbst erleben und spüren, was Besetzung bedeutet.“
Es gehe um Frieden in Nahost, Gerechtigkeit, gegenseitigen Respekt und Anerkennung sowie einen Dialog auf Augenhöhe zwischen Deutschland, Palästina und Israel, zieht Hisham Hammad ein Fazit. „Da sind wir noch weit vom Ziel entfernt“, räumt der palästinensische Arzt ein. Aber als Kind habe er folgende Weisheit gelernt: „Wer nicht träumt, der ist kein Realist.“ Nach dieser Maxime wolle er die Arbeit ausrichten, so Hammad.
Wenn das kein gutes Zeichen ist: „Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist“ war die Maxime von David Ben Gurion – dem Gründungspräsidenten des Staates Israel…
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